NARRAGONIA IM WANDEL DER ZEIT: DAS 19. JAHRHUNDERT – ZWEI RHEINISCHE KARNEVALSMISSIONARE
Der Fasching zu Beginn des 19. Jahrhunderts war in Regensburg von venezianischen und rheinischen Einflüssen geprägt, wobei letztere durch den Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg bedingt waren, der vor seiner Herrschaft in Regensburg Kurfürst von Mainz war. Aus Mainz stammte auch der Arzt Dr. med. Carl Wolfgang Gerster (1813-1892), der zu Beginn des Jahres 1848 die ständige Legalisierung der seit zwei Jahren bestehenden Carnevals-Gesellschaft Narraconia beantragte.
Am 24. Februar 1848 erteilte die Königliche Regierung der Oberpfalz und von Regensburg der Narraconia die Erlaubnis, dauerhaft zu existieren. Dieser Tag gilt noch heute als Gründungstag der Gesellschaft. Da sein Vater aus Mainz stammte, war Gersters Faschingsverständnis stark vom rheinischen Karneval geprägt. So verwundert es auch nicht, dass die Narragonia bis zum heutigen Tag eine „Karnevalsgesellschaft“ ist, obwohl in Bayern eigentlich Fasching gefeiert wird. Seine Nach-kommen sollen bis ins 21. Jahrhundert die Geschicke der Narragonia bestimmen. Seinem Urenkel Dr. Honor-Peter Gerster wurde 2003 der traditionelle Radi-Orden von 1898 verliehen.
Die Gründungsurkunde der Narragonia
Doch auf Grund der politisch bewegten Zeiten, für den liberal gesinnten Dr. Gerster hatte eine Carnevals-Gesellschaft wie die Narraconia durchaus auch eine politische Bedeutung. Konnte doch einer solchen Gesellschaft unter dem Deckmantel der Narretei, Kritik an Regierung und den politischen Verhältnissen geübt werden. So konnte Narraconia auch nur einige Jahre aktiv sein und musste ihr närrisches Treiben bald wieder einstellen. Dann ruhte der organisierte Fasching in Regensburg, bis er im Jahre 1897 wieder zum Leben erweckt wurde. Der Narragonia stand als Präsident der Sanitätsrat Dr. med. Gustav Stör (1860-1919) vor. Der erste namentlich bekannte Faschingsprinz von Regensburg war der Textil-Kaufmann Josef Rothdauscher (1875-1941), der als Pepi I. das närrische Zepter schwang. Bereits im Fasching 1898 übernahm der Regensburger Rechtsanwalt und Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Dr. iur. Julius Uhlfelder (1865-1907) die Präsidentschaft. Eine Prinzessin gab es in den 90er Jahren des 19. Jahrhundert nicht; die sollte erst 20 Jahre später im Regensburger Fasching erscheinen.
Narragonia Sommerfest 1899
Im Jahre 1898, dem 50. Jahr des Bestehens der Narragonia, stiftete der wohlhabende, jüdische Bankier Gustav Thalmessinger (1865-1900) einen geschnitzten Thronsessel, der vom Narragonen Schreinermeister Stefan Rummel (1844-1922) geschaffen wurde. Dieser Thronsessel befindet sich noch heute im Besitz der Narragonia. Wer in Regensburg Rang und Namen hatte, fand sich in der Narragonia wieder. Der Sanitätsrat Dr. Raimund Gerster, Sohn des Gründers, Juwelier Pleyer, die Kaufleute Krippner, Forchhammer, Rothdauscher und Dunzinger, Kunstmaler Zacharias , sowie der Kunstgärtner Trede und der Kunstschlossermeister Kaiser.
Der Faschingsgruß lautete damals:
O Narr, o Narr!
Das 20. Jahrhundert – Närrische Zeiten nicht nur im Fasching & Faschingspause durch den I. Weltkrieg